Die meisten Leser werden es wohl schon wissen, ich habe am Sonntag die Challenge Roth nicht gefinisht.
Somit wird dieser Artikel leider keine schöne Schilderung des Events, sondern nur ein bisschen Darstellung des Tages und ein Versuch Gründe fürs Scheitern zu finden und wie man Dinge zukünftig evtl. auch besser machen kann.
Alles fing am Donnerstag schön an. Wir fuhren sehr entspannt noch Roth, meldeten uns in unserer Unterkunft in Schwanstetten an und gingen dann zur Startnummernausgabe und auf die Triathlonmesse. Das war sehr angenehm und alles noch ruhig und so ziemlich alle Pros waren auch anzutreffen. Da wurde gleich mal der Challenge-Rucksack mit einem Autogramm von Caroline Steffen aufgewertet, sich noch etwas im Challenge-Shop vergnügt und ein Schnäppchen abgesahnt.
Für den Nightrun hatte ich zwar noch meine Laufklamotten zusammengepackt, aber der Tag hatte dann doch zu sehr geschlaucht und so bin ich lieber zeitig ins Bett. Kurz vorher hatte ich mir noch meinen Starterbeutel angeschaut – da passte Badekappe und Startgruppe nicht zusammen. Es sind zwar alles grüne (Datev-)Badekappen für jede Startgruppe, aber die Gruppe und Uhrzeit waren drauf vermerkt und so bin ich am nächsten Morgen nochmal hin und hab die umgetauscht. Dabei entdeckte ich auf der Messe noch ein paar tolle Schuhe, als ich mich bis zum Abend durchgerungen hatte wirklich das viele Geld auszugeben, waren sie in meiner Größe leider nicht mehr da. Den Rest des Tages verbrachten wir ziemlich ruhig am Rothsee, immer wieder war es so bedeckt und damit kühl, dass ich dann doch nicht im Wasser war. Samstagmorgen bin ich dann auch nicht zum Schwimmen im Kanal, sondern gönnte mir wieder eine Mütze mehr Schlaf. Das Kribbeln wurde aber größer und größer, ich freute mich drauf, ich hatte so richtig viel Lust vor allem auf den Marathon. Samstag Bike einchecken – dabei merkte man das erste Mal so richtig die Größe der Veranstaltung als die ganzen Massen zusammen strebten. Der Vorgang selbst war aber unspektakulär und auf ging es danach zur Wettkampfbesprechung. Nicht wirklich was neues gehört, was nicht auch noch irgendwo in den Unterlagen stand und wenn sich Präsentation und Aussage des Wettkampfleiters widersprechen ist das schon komisch. So u.a. bei dem wichtigen Punkt bis wann man sein Rad wieder abgeholt haben muss. Dabei geht es nämlich um die wichtige Fragen, mache ich das vor oder nach dem Abschlussfeuerwerk. Danach schnell ins Bett, denn der Wecker klingelt 3:30 Uhr.
Raceday. Die Anreise klappte gut und als wir über die Kanalbrücke zur Wechselzone gingen und die Musik hörten wurde die Tränendrüse ganz schön gereizt. Radbeutel pünktlich ablegen und dann hieß es warten bis ich dann irgendwann mal endlich starten dürfte. „Entzaubert“ war auch ein möglicher Titel dieses Blogeintrages und entzaubert war ich an dem Tag das erste Mal als ich den Schwimmstart erlebte. Dieser eine Satz, der so viel für mich bedeutete und mir immer wieder Gänsehaut beschert hatte – „One minute to go“ – war live nix anderes als eine sehr nüchterne Ansage des Sprechers. Einen Startschuss hatte ich in der Wechselzone überhaupt nicht gehört. Irgendwie war mir nicht so, als ob das Rennen läuft und überhaupt war bei mir aber auch wieder was anders. Ich hatte an dem Tag irgendwie wieder Angst und nicht mehr nur Respekt. Irgendwann verabschiedete ich mich dann endgültig von Sabine und ging in die Wechselzone, zog den Neo ganz an, vergaß den Fahrradtacho fest zu machen (wie ich während des Schwimmens feststellte – der war aber im Radbeutel), gab meinen „After Race“-Beutel ab, obwohl ich noch die Jacke an hatte, also noch einen zweiten vom Helfer bekommen und den noch abgegeben und dann hieß es Minuten runterzählen. Während ich noch auf meinen Start wartete, konnte ich schon die Wechsel der Führenden Männer und Frauen beobachten. Sekunden bevor auch für mich die Startleine nach oben ging, wurde meine Schwimmbrille auf einmal auf der einen Seite total locker und es drang heftig Wasser ein.
Schuss und los. Brille leeren und losschwimmen. Es ging verhältnismäßig ruhig los, ich war auch nicht in Panik, sondern schwamm halbwegs ordentlich. Nur wie Bahnenschwimmen ist Kanalschwimmen überhaupt nicht. Ich hatte ja gehofft, da deutlich besser zu schwimmen als im See, aber man kann auch im Kanal noch ordentlich Zick-Zack schwimmen. Ich war jetzt zwar im Wettkampf in meinem großen Rennen, auf das ich so lange hin gearbeitet hatte, aber es war nicht wirklich Spannung in mir. Das Hochwasser, der Regen, die Sorgen um mein Kind – es war ein Zu-Ende-bringen, nicht das große Fest, sondern eher die ungeliebte Abschlussbericht. Das Schwimmen lief anfangs trotzdem gut, zur ersten Wendeboje zog es sich dann aber doch, dort endlich rum, ging es wieder besser aber auch immer mehr im Zick-Zack als geradeaus. Als die Wechselzone dann doch nicht so schnell näher kam, wie gehofft, wurde es zäh und ich bin dann auch irgendwann kurz vor der Wechselzone ins Brustschwimmen über gegangen, so dass ich ca. die letzten 1.000 m um die zweite Boje und zurück Brust geschwommen bin. Nachdem ich vorher Platz um Platz verloren hatte, hatte ich mit Brust wieder etwas aufgeholt und schließlich bin ich voll im Zeitrahmen aus dem Wasser – 1:42 h. Leider gehörte ich trotzdem schon den letzten an und mir wurde mein Radbeutel schon gereicht. Neo aus, Schuhe an, Tacho an, nochmal eine Dosis Sonnenmilch mir verpassen lassen, ab zum Rad, Helm auf und los. Wir durften schon vor dem Bike-Start-Bogen aufsteigen, ob das aus Mitleid passiert ist oder weil die hinteren Räder einen längeren Laufweg hatten und das geplant war, weiß ich nicht. Auch egal. Ich war froh, dass ich Sabine noch gesehen und gehört habe, hab ihr noch einen Kuss zugeworfen und los ging es. Es rollte aber nicht wirklich, ich war noch immer ziemlich aus der Puste. Als ich das Marathonschwimmen vor einem Jahr mitgemacht hatte, war ich für den Rest des Tages fertig, nun standen noch 180 km Rad und ein Marathon auf dem Plan. Ich zwang mich gleich zu essen und zu trinken, aber ich musste mich dazu zwingen. Das war komisch. In Eckersmühlen dann die erste Verpflegungsstation kurz nach der Biermeile. Also eine Meile sind bei mir ca. 1.600 m – das waren höchstens 160 m – ich war ein bisschen entzaubert. Die Verpflegungsstation war ganz schön kurz – was mir gerade beim Schreiben auffällt, die eine Station machte doch immer die Bundeswehr, hab ich aber nicht gesehen an dem Tag – man musste an der Station seinen Abfall entsorgen, dann ganz schnell zur Flasche greifen, die möglichst zügig verstauen, damit man noch Banane, Gel oder Riegel einsammeln konnte und dann war es auch schon wieder vorbei. In einem Prospekt zur Challenge mit den Stimmungsnestern zur Radstrecke stand, dass man kaum noch einsame Abschnitte hat, da es mittlerweile so viele Stimmungsnester und Zuschauer gibt. Also ich fühlte mich ziemlich schnell, ziemlich einsam auf der Radstrecke, obwohl nicht ganz, unterbrochen wurde die Einsamkeit von so tollen Ereignissen, dass Profis und Topfahrer an einem vorbei sind, man schon fast auf dem weißen Strich gefahren ist, trotzdem böse beschimpft wurde, dass man doch rechts fahren sollte und die Akteure in einem Abstand von nicht mal 30 cm an mir vorbei sind. Das es dabei teilweise noch regelrechte Gruppen gab wo die Windschattenbedinungen garantiert nicht eingehalten wurden, fand ich einfach nur traurig. Bei mir kam der Speed nicht wirklich auf, aber noch beunruhigte mich das nicht, da wir bei der Streckenbesichtigung nach Greding auf dem Rückweg auch deutlich schneller unterwegs waren. Von meinen 6 Stunden verabschiedete ich mich aber trotzdem so langsam. In der Nähe von Thalmässig ging es auch einen kleinen Berg rauf und dort war richtig Stimmung angesagt, also Oberlenker den Arm kreisen, Leute abklatschen und hoch geht es. Nach 100 m war aber auch das wieder vorbei und die gute Laune, die da aufkam, hielt leider nicht mal einen Kilometer an. Der Kavalarienberg machte richtig Spaß, ich wusste was kommt, kurbelte locker hoch und sammelte dabei noch ein. Leider wurde ich zunehmend auch von Staffelradfahrern überholt. Oben angekommen dachte ich dann nur, dass darf doch nicht war sein, bläßt mir doch so richtig der Wind ins Gesicht und zwar nicht nur mit Windstärke 1-2 wie beim letzten mir bekannten Wetterbericht angekündigt. Das nervte gewaltig. Bis endlich der Solarer Berg kam, zog es sich unendlich. Schneller wurde ich auch nicht, aber auch nicht langsamer. Achso, mein Tacho wollte erst nach ca. 4 km funktionieren, deshalb war meine Durchschnittsgeschwindigkeit auch nicht so aussagekräftig, denn die Zeit zählte von Anfang an. Der Solarer Berg war schön, aber Mythos, nee zumindest nicht für mich heute. Ich freute mich, dass ich Uwe gesehen hatte und er mich anfeuerte, aber bevor der Berg zu Ende war, waren auch die Leute schon zu Ende. Am Ende der Runde fühlte ich mich wie vor einem Jahr bei meiner ersten Streckenerkundung, aber diesmal ging es nochmal rum. Nun wurde es noch einsamer, denn es gab keine Pros mehr, die einen überrundeten, stattdessen traf man mehr und mehr auf Leidende. Verpflegungsstationen wurden teilweise schon abgebaut, Flaschen bekam man manchmal nur noch auf Aufforderung gereicht und das Publikum hatte sich überwiegend wieder in seine Häuser oder an andere Plätze verzogen. Es wurde schwer und die 13 Stunden waren in Gefahr. Irgendwann war das auch egal, dann es war mehr und mehr die Cut-Off-Zeit in Gefahr. Der Kavalarienberg war nochmal gut und die Abfahrt danach schön. Der Wind war etwas schwächer, aber ich leider auch. Wolken kamen keine auf, aber der Wind und Fahrtwind ließ einen die Hitze gar nicht so spüren. Ich verfluchte die Anstiege, aber so weit war es ja auch nicht mehr. Halbzeit des Gesamtrennens war nun wohl auch vorüber, aber es wurde härter und härter und dann passierte es, direkt nach einer Verpflegungsstation wollte ich wohl noch irgendwas sortieren oder so als mir kurz schwummrig und wohl auch schwarz vor Augen wurde und ich kurzerhand rechts in die Leitplanke abbog und schon lag ich da – „Scheiße“ schrie ich kurz aus und dann waren auch schon Helfer bei mir. Ich blieb erstmal auf dem Boden sitzen und atmete durch. Arm, Hand, Finger und Knie bluteten, aber grundsätzlich schien alles okay. Ich bekam Wasser, zum Trinken, zum Hände waschen und Wunden reinigen und dann bekam ich das Königreich auf Erden – ein Taschentuch. Einfach nur göttlich. Mir lief andauernd die Nase und oft musste ich auch noch niesen und nun endlich mal so richtig frei schnaupen, traumhaft. Die Helfer hatten inzwischen einen Sani angefordert, doch ich wollte weiter, grundsätzlich ging es ja, ich war wieder halbwegs auf den Beinen und ich wollte auch keine 5 Minuten im Schatten warten, um so schlimmer würde es mir der Cut-Off-Zeit. Inzwischen (schon vor dem Sturz) ging es bei mir sowieso nur noch ums Finish und ich rechnete schon damit, dann erst kurz vor dem Feuerwerk einzulaufen. Also wieder rauf aufs Rad und weiter. Jetzt ging es auch kurz wieder gut, die Pause hatte gut getan. Zwar gab es noch eine kurze Schrecksekunde, denn als ich losfuhr schleifte was und ich dachte schon jetzt nimmt mich ein technischer Defekt aus dem Rennen, aber zum Glück war nur die Bremse etwas verdreht. Die bessere Verfassung hielt aber nur ca. 20 km an. Der Solarer Berg war auf der zweiten Runde fast menschenleer, also zumindest im Vergleich zur ersten. Es waren vielleicht noch 100 Leute dort. Und dann war der Ofen richtig aus. Ich wurde reihenweise überholt, wollte am liebsten ausklicken und stehen bleiben, aber heim rollen wäre eh das Schnellste. Den Marathon mochte ich mir gar nicht vorstellen. Ab Greding war mir irgendwie auch die Lust aufs Essen total vergangen, aber ab und an zwang ich mich noch zu einem Gel. Selbst 2 km vor dem Radende wollte ich noch aufhören, aber da musste man ja nur noch in die Wechselzone rollen. Dort kam ich nach 8:48 h an und nahm mir eine Wasserflasche mit ins Zelt, trank in Ruhe und saß auf meiner Bank. Die Frage, ob alles in Ordnung ist, konnte ich erst beim dritten Mal beantworten, ein klares Ja, kam da aber nicht mehr über meine Lippen, sondern eher „Ja, es geht.“ Schuhe wechseln, Wunden nochmal waschen, Armcooler an, Mütze auf und dann los. Ich wollte wenigstens bis zum Ländle. Dort wollte Sabine stehen, ich würde mich mit ihr 5 Minuten in den Schatten setzen und dann mal sehen oder wenn es mir bis dahin wieder besser gehen würde, freute ich mich auf ein paar Meter Begleitung durch sie. Nach dem Wechselzelt gab es erstmal Schwämme – reichlich, Kopf, Arme, Gesicht, Nacken. Das war aber schon fast wieder verdampft als ich dann über die Matte am Ende der Wechselzone ging. Ja, ich ging. An Laufen war nicht zu denken. Nach einer Weile versuchte ich dann das erste Mal anzulaufen. Das ging keine 30 Sekunden gut, wieder Schwämme, nächster Versuch, ging nicht besser. Das Wasser auf dem Kopf war schnell verdampft, aber das am Einteiler löste auf einmal Beklemmungen aus. Gar nicht schön. Nochmal loslaufen, wieder nichts. Ich rechnete. Mit meinem Spaziergangtempo war ich mit 6 km/h unterwegs – da hieß für den Marathon eine Endzeit von 7 Stunden und über eine Stunde nach Zielschluss. Das wird wohl nix mehr. Endlich Ländle, aber ich sehe Sabine nicht. Noch um die Ecke und ich sehe sie immer noch nicht. Okay, dann war es das jetzt. Ob ich die 7 Stunden überstehen würde, weiß ich nicht, zumal ich ja noch vor 20.30 Uhr den Halbmarathon hinter mich gebracht haben müsste und ich am Ende wohl ohne Verpflegung zu Ende laufen müsste. Wie ich das im Kopf überstehen sollte, wusste ich erst recht nicht. Es machte für mich einfach keinen Sinn mehr. Es wäre nur noch ein Überlebenskampf. Ich nahm meine Startnummer ab und kehrte um. Als Aussteiger sollte man sich am Musikpavillion melden und dort würde es auch den Rückholservice geben. Die wussten aber von nix und Rückholung gab es auch nicht. Telefonieren konnte ich auch nicht. Eine Helferin gab mir dann Ihr Telefon und ich sagte Sabine Bescheid. Die war im Zielpark – sieht hatte selbst mit dem Kreislauf zu tun und war beim Sanitäter. Ich schleppte mich dann zum Shuttlebus und vom dort dann zum Zielpark. Im Vergleich zu den meisten Zuschauern war ich aber immer noch fitter, aber ich wollte jetzt auch nur noch weg. Ich ging über die Bande, querte den Zielkanal, versuchte mich im Ziel dann nochmal mit offiziell als ausgestiegen zu melden, aber das interessierte irgendwie keinen.
Im Zielbereich traf ich Katrin und Roman, sie wollten mir gratulieren, aber ich klärte sie schnell auf und dann wollte ich einfach nur weg. Sachen abholen, Duschen und dann endlich Sabine wieder sehen.
Auf dem Weg zur Fahrradabholung erzählte ich ihr was passiert war. Danach ging es noch auf den längeren Weg zum Auto, wir ruhten uns noch etwas aus und beschlossen dann doch nochmal zum Zielpark zurückzukehren und uns das Feuerwerk anzusehen. Wir waren dann beide aber doch zu fertig und müde und eigentlich interessierte es mich auch nicht und die ganzen glücklichen Gesichter brauchte ich auch nicht unbedingt, also ging es heim und ins Bett.
Der Schlaf tat gut und der Abfall der ganzen Spannung und von der ersten Sekunde meines Ausstieges war ich mir sicher, dass ich das nicht bereue, sondern das es an diesem Tag genau die richtige Entscheidung war. Es war einfach nicht mein Tag, an so einem Tag muss halt alles passen und bei mir passte so einiges nicht. Ob nun die nervlichen Belastungen im Vorfeld, die Hitzeschlacht an dem Tag Schuld sind oder ich mir doch ein Jahr lang mehr Zeit hätte nehmen sollen, alles egal. Der Tag war nicht mein Tag und das hab ich akzeptiert. Es ist sehr schade und ja ich bin auch traurig darüber, aber mittlerweile kann ich schon wieder sagen „na dann hab ich wenigstens noch ein Ziel vor mir.“
Ich weiß ja nicht, wie das so ist als Langdistanz-Finisher, aber jetzt gerade während ich die letzten Zeilen schreibe, ist es für mich derzeit genauso befriedigend einfach glücklich neben meiner Freundin mit dem Blick auf Neuschwanstein einzuschlafen – traumhaft. (Das kann eigentlich nur das Taschentuch der Helferin toppen.)
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